foggy Nightwalk
Hier mal ein kleines Status-Update: Es ist nicht so, dass ich keine Filme habe, über die ich schreiben könnte. Das Gegenteil ist der Fall. Meine Festplatte füllt sich kontinuierlich mit Fotos, die ich gemacht, entwickeln lassen, eingescannt und… na ja… liegengelassen habe. Ich nehme mir stets vor, diese Fotos auch endlich mal in Form zu bringen und aufzubereiten.
Das ganze Ausmaß offenbart sich mir, als ich gerade von meinem letzten Espresso zum ersten Rotwein des Tages übergehe. Draußen regnet es leicht und aus meiner Anlage wabern sanft die Klänge von Cigarettes After Sex. Ich habe keine Lust mehr zu arbeiten und möchte eigentlich einen Film schauen, doch es fühlt sich richtiger an, mal wieder etwas zu schreiben und ich weiß auch schon seit geraumer Zeit worüber.
Also öffne ich mein Google Docs und stiere etwas verdutzt auf genau dieses leere Dokument. Die Historie verrät mir, dass ich es im November angelegt, im Dezember zwei Mal und im Januar ein weiteres Mal geöffnet habe. Anscheinend habe ich aber nie eine Zeile geschrieben, sondern mich wahrscheinlich nur im hellen Weiß der blanken Fläche gesonnt. Doch heute ist genauso eine Nacht, wie die Nacht, in der die nun folgenden Fotos entstanden sind.
Es war Winter und ich verließ aus Antriebslosigkeit gegen 21.30 Uhr mein Büro. Demotiviert und mit dem Gefühl, nichts geschafft zu haben, obwohl ich den ganzen Tag schon durchgearbeitet hatte (was leider sehr häufig in meinem Lockdown-Alltag vorkommt), setzte ich mich in mein Auto und war gedanklich schon bei meiner Letterboxd-Watchlist. Ich startete den Motor und während ich den Hinterhof verließ wurde mir bewusst, wie atmosphärisch die Straßenlaternen ihr Licht durch den Nebel warfen, wie ruhig die Stadt vor mir lag und dass ich eigentlich nicht nach Hause, sondern mich genau dieser Stimmung hingeben wollte. Instinktiv fuhr ich in die entgegengesetzte Richtung, zur Dresdner Innenstadt. In meiner Leica befand sich ohnehin ein KODAK T-MAX P 3200, also perfekt für eine dunkle Nacht. Während ich einfach den Lichter folgte, trieben mich elektrische Bässe voran. Kräne, die aus den Baustellenscheinwerfern empor ragten, verlassene Hauseingänge und hell erleuchtete Treppenhäuser säumten meinen Weg. Ich erging mich in meinem Moment, gefangen zwischen der Leichtigkeit des sich treiben Lassens und der gleichzeitigen Jagd nach der nächsten spannenden Lichtsituation. Ich war der Einzige auf den Straßen, neben Baustellen-Security, einem armen Lieferando-Fahrer, der sich durch den Regen kämpfte und einer Frau, die vermutlich auf dem Weg nach Hause war.
Während ich umherirrte und Orte sah, an denen ich schon lange nicht mehr war, fand ich mich auf einmal in einem Hinterhof wieder, der bei Tag vermutlich nicht unspektakulärer hätte sein können. Doch bei Nacht, wo nur vereinzelte Lichtquellen aus Hauseingängen, Unterführungen und Wohnungsfenstern ihre Magie durch die Dunkelheit schicken, verwandelte sich der Hinterhof für mich in ein Paradies langer Schatten.
Auch wenn im Nachhinein die Fotos natürlich sehr dunkel sind, habe ich für mich einfach mal wieder festgestellt, dass ich Lichtstimmungen liebe und dazu gehört naturgegeben nicht nur das Licht, sondern nunmal auch die Dunkelheit, durch die sich das Licht erst richtig entfalten kann.
Leica M 2
Voigtlander NOKTON 35mm ƒ1.2
Kodak T-MAX TMZ 3200
Fotolabor Görner