Flo FD

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Flo

fermentation days

a Project by Philipp Götze and Julius Erler

Dresden some weeks before summer 2021. The weather is steady and warm, my shorts accordingly. I discover the fun in doing my grocery shopping at a local market, away from day-to-day supermarkets. Once a week now I find myself strolling alongside vegetable-,cheese- and breadstands, which I find it to be an enrichment to my daily life, alike my visits at one particular breadstand.

During my first visit a man is standing behind his products. The conversation, which takes place while I do my shopping, is sketched in the following:

Dresden in den Wochen vor dem Sommer 2021. Die Temperaturen sind beständig, meine Hosen sommerlich kurz. Ich entdecke das auf dem Markt einkaufen für mich, fernab der großen Ketten und Discounter. Einmal in der Woche schlendere ich nun an Gemüse-, Käse- und auch Brottheken entlang. Ein Novum in meinem Alltag, das mich durchaus bereichert. Ebenso wie meine Besuche an einem Brotstand.

Bei meinem ersten Besuch steht ein Verkäufer hinter den Waren. Das Gespräch, welches parallel zu meinem Einkauf stattfindet, geht etwa folgendermaßen:

#1

May I ask where you‘re from?

From Dresden.

Yes, but there’s another cultural background, right?

I was born in Bangkok.

Ah, Bangkok. You’ve learned german quite well then. 

Thanks.

Darf ich fragen wo du herkommst?

Aus Dresden.

Ja, aber da ist doch noch ein anderer kultureller Hintergrund?

Ich bin in Bangkok geboren.

Ah, Bangkok. Da hast du aber gut Deutsch gelernt.

Danke.

Yes, he really was just being nice.

With my just bought bread I leave the scene, feeling irritated. Did that really happen to me? Was I for real, at a market in Dresden, because of my physical appearance just asked about my origin and received a compliment for my german, for which I, admittedly taken by suprise by that statement, even thanked the guy? I try to evaluate the situation and rank the conversation. The man, maybe about 60 years old, was nice. Yes, he really was just being nice. He wasn’t bad, he didn’t secretly think „I’m gonna act super nice and not at all racist, but show this little thai-boy he doesn’t belong here in my country, because truth be told I actually am a nasty racist and hate foreigners, who buy my bread and speak my language just as well as I do.“

Mit meinem erworbenen Brot verlasse ich irritiert die Szenerie. Ist mir das gerade wirklich passiert? Wurde ich gerade wirklich in Dresden auf dem Markt aufgrund meines Äußeren nach meiner Herkunft gefragt und habe ein Kompliment dafür bekommen, ich hätte gut Deutsch gelernt? Wofür ich mich dann auch noch, zugegeben überrumpelt von der Aussage, bedankt habe? Ich versuche die Situation zu bewerten und das Gespräch einzuschätzen. Der Mann war vielleicht um die 60 Jahre alt und nett. Ja, der war einfach nett. Also wirklich nett. Der war nicht böse, nicht nach dem Motto „Ich tu mal ganz unrassistisch überfreundlich und zeige dem kleinen Thai trotzdem, dass er nicht in mein Land gehört, weil ich in Wirklichkeit nämlich sehr wohl ein Drecksrassist bin und kleine Ausländer hasse, die bei mir einkaufen und genauso gut deutsch sprechen wie ich“.

No, this vendor, he was just a nice guy and maybe it’s his way of doing smalltalk with his customers. He really meant it, in a good way. That he was impressed by my language skills. That I did a good job learning german. Yeah, no shit, I grew up here. Here in Germany. Maybe that should have been my response. I should have told him how unuseful his so called compliment was. Or I should have started a conversation on how it’s not appropriate to ask about someones origin just because of their looks – and in the very first talk at that. Let me come back, let me become a regular, let me get to know you a little better, maybe talk to you about my job or wether I like your bread. And then, at the third, fourth or fifth talk maybe, ask me wether I want to tell you about my roots, because apparently I am a thread to your german-eurocentric eye an the most interesting mystery to solve is, why I look the way I do. Which is mainly just one thing: different from you.

Thanks, I said. Thanks. He was really nice. So I wanted to be nice aswell. Why am I constantly emphasizing how nice he was? Why am I still trying to be polite, if he clearly overstepped my boundaries? Why do I have to take responsibility for a warm enlightning conversation? Which I particularly wasn’t able to do because I felt overwhelmed and paralyzed. From day to day I’m learning to question my awareness for diversity again and again, to develope mindfulness in my language, scrolling through my phone for diversity-related articles. Day and night I try to brace myself for encounters with scetchy people, try to hold gazes, look over my shoulder twice, to only stammer an irritated but friendly „thanks“ in a conversation like this.

Ne, dieser Verkäufer, der war einfach nett, das war so sein Ding so ein bisschen Smalltalk zu machen und seine Kundschaft kennenzulernen. Der meinte das wirklich so. Dass ich gut deutsch sprechen würde. Dass ich das gut gelernt hätte. Ja, oh Wunder, ich bin ja auch hier aufgewachsen. Hier in Deutschland. Vielleicht hätte ich Das erwidern sollen. Sagen sollen, was für ein unnützer Kommentar dieses „Kompliment“ war. Oder ein Gespräch darüber beginnen, wie deplatziert es ist aufgrund seines Äußeren auf irgendeinen kulturellen Hintergrund angesprochen zu werden – und zwar im ersten Gespräch, das man miteinander führt. Lass mich doch erstmal hierher wiederkommen. Lass mich zum Stammkunden werden, auch dich besser kennenlernen, mit dir darüber sprechen, was ich vielleicht beruflich mache oder wie mir dein Brot schmeckt. Und dann, meinetwegen, frag mich irgendwann beim dritten, vierten, fünften Einkauf, ob ich dir von meiner Herkunft erzählen möchte, weil ich ja in deinem deutsch-eurozentristischen Auge drohe nicht von hier zu kommen und es anscheinend die spannendste, zu klärende Frage ist, warum ich aussehe wie ich aussehe. Nämlich anders als Du.

Danke, habe ich gesagt. Danke. Er war wirklich nett. Also wollte ich auch nett sein. Wieso betone ich eigentlich permanent, wie nett er war? Wieso versuche ich noch höflich zu sein, wenn da in meinem Empfinden eine ganz klare Grenzüberschreitung stattfindet? Und wieso muss ich dafür verantwortlich sein, wertschätzend aufklärende Gespräche zu führen? Die ich insbesondere vor lauter Überforderung und Lähmung nicht in der Lage bin in die Tat umzusetzen. Tag für Tag lerne ich mich und mein Bewusstsein für Diversität neu zu hinterfragen, eine Achtsamkeit in meine Sprache zu prägen, scrolle mich auf dem Handy durch Diversitäts-geprägte Inhalte und wappne mich Tag und Nacht und montags davor ominösen Gestalten zu begegnen, halte Blicken stand, schaue mich auf der Straße lieber zweimal um, nur, um im Moment einer solchen Begegnung ein irritiertes, aber freundliches Danke zu stammeln.

It felt like a movie scene, I couldn’t grasp, what happened to me. And yes, nowadays I can’t help but to laugh in a sincere and fascinated way. The vendor, me, the bread between us. The bittersweet thing about this? It’s not at all funny. As friendly interested as the question might be intended it so easily can catch someone in the wrong moment – and unrelated to the moment, also just be inappropriate.

At this time I wasn’t set out to it and I possibly could have turned the situation around, but there are enough examples for peolpe who ask those kind of questions who fail to see, why their interest, their question is inappropriate. Often enough the questioned person just keeps answering out of politeness or simply clinical habit.

Ich kam mir vor wie im Film, ich konnte einfach nicht fassen, was mir da passiert. Und ja, mittlerweile kann ich nicht anders als herzlich und fasziniert darüber zu lachen. Der Verkäufer, ich, das Brot zwischen uns. Das Bittersüße daran? Es ist nicht zum Lachen. Eine noch so interessiert gemeinte Frage kann so leicht zum falschen Zeitpunkt gestellt werden – und unabhängig des Zeitpunkts, auch einfach unangemessen sein.

In diesem Moment hatte ich es nicht darauf angelegt und womöglich hätte ich die Kurve hinbekommen, aber es gibt genügend Beispiele für Fragende, die nicht einsehen wollen, warum ihr Interesse, ihre Frage unangemessen ist. Warum ein Gesprächseinstieg mit dieser Frage übergriffig ist. Dass Gefragte sich aus Höflichkeit, aus nüchterner Gewohnheit immer wieder in diese Gesprächsschleife begeben.

Sorry not Sorry.
Check your privilege.

Or: If it actually comes down to a confrontation, the person defending themselves, saying „Look I really don’t appreciate, I even experience it as racism, you asking me on grounds of my looks where I’m from and won’t be satisfyed with my answer Dresden.“ , it will rarely happen that the person in question will take a step back, challenging themselves and admit à la „Yes, you’re right, I didn’t want to step up to you and I absolutetly didn’t intend to be intrusive, and if your answer is Dresden I got the answer I wanted and will not question it, please accept my apology.“

I would like to say „Sorry not Sorry. Check your privilege.“ But the words at the tip of my tongue never actually leave my mouth.

I would like to tell, that I was born in Bangkok. But only, if I feel comfortable with you and the situation, in which we face each other.

Life really writes the best scenes. I was determined not to stay away from this particular breadstand, but to face these encounters over and over again. The man, whom I talked to, it didn’t make him a racist that he served a racist sample. Besides I like the bread I buy there.

Oder: dass, wenn es zu einer Konfrontation, einer Abwehr kommt, zu einem „Hey, pass auf, ich finde das uncool, wenn nicht sogar einfach rassistisch, dass du mich gerade aufgrund meines Äußeren danach fragst wo ich herkomme und mit der simplen und wahrhaftigen Antwort Dresden nicht zufrieden bist“, es der seltenste Fall ist, dass die fragende Person sich zurückzunehmen, sich zu hinterfragen weiß und mit einem Eingeständnis reagiert à la: „Stimmt, du hast Recht, ich wollte dir nicht zu nahe treten und ganz und gar nicht übergriffig sein, und wenn deine Antwort Dresden lautet, dann steht dahinter ein Punkt und meine Frage ist beantwortet, bitte entschuldige!“.

Jetzt würde ich gerne sagen: Sorry not sorry. Check your privilege. Aber auch das liegt mir eher auf der Zunge als dass es mir über die Lippen kommt.

Ich möchte gerne erzählen, dass ich in Bangkok geboren bin. Das aber, wenn ich mich wohlfühle mit Dir und der Situation, in der wir uns begegnen.

Das Leben schreibt die besten Szenen. Ich habe mich entschlossen diesem Marktstand nicht fernzubleiben, sondern in die Begegnung zu gehen. Dieser Mensch, mit dem ich sprach, ist kein Rassist, nur, weil er ein rassistisches Muster bedient hat. Außerdem schmeckt mir das Brot, das ich dort kaufe.

Continuing you will read little scenes, anecdotes, which took place at the same stand the following weeks. They read worthy of a movie, as if written for the stage. I would like to recite them in all their absurdity and awkwardness from my memory:

Was nun folgt, sind kleine Szenen, Anekdoten, die sich in den Wochen danach am selben Stand abspielten. Filmreif, als seien sie für die Bühne geschrieben. Ich möchte sie gerne in all ihrer Skurrilität und Fremdscham aus meinen Erinnerungen heraus rezitieren:

#2

The same vendor, a woman at his side. He is silent, reserved, maybe knowing about the awkwardness of our last encounter, does he recognize me under my mask? I came straight from my vaccine-appointment wearing a summerly tank-top. She starts talking.

Have you been working out?

No, I just got vaccinated.

Where are you from? Your parents? You look a bit southern.

My mother is from Bangkok.

Bangkok, Thailand. Oh, that’s nice, we have a friend in Thailand. She owns a mangofarm, we once visited her there, beautiful country.

Der gleiche Verkäufer, eine Frau dabei. Er schweigt, hält sich zurück, vielleicht darum wissend wie awkward das letzte Gespräch ablief; erkennt er mich unter meiner Maske? Ich komme vom Impfzentrum, stehe im sommerlichen Tank-Top vor dem Brot. Sie redet.

Kommst du gerade vom Sport?

Nein, vom Impfen.

Wo kommst du her? Deine Eltern? Du siehst ein bisschen südländisch aus.

Meine Mutter kommt aus Bangkok.

Bangkok, Thailand. Oh wie schön, wir haben eine Freundin in Thailand. Die hat eine Mangofarm, dort haben wir sie mal besucht, ein wunderschönes Land.

#3

Two new vendors, unknown to me. An older and a younger one. I give my order to the older one, the other, younger one I hear almost inaudibly asking:

Where are you from?

I pretend not to hear it, not wanting to listen. He didn’t ask that, did he? Please, he didn’t for real just ask that question. Ignoring it I cheer inside myself because of the awkwardness and not wanting it to be true.

My order is done and the bread is mine. The second vendor now asks me directly:

Where are you from?

From Dresden.

Yeah, but where are you really from?

Is it that important?

No, I mean if you don’t want to answer, you don’t have to, I‘m just asking because I‘m half czech.

Zwei neue mir bisher unbekannte Verkäufer. Ein Älterer, ein Jüngerer. Bei dem älteren mache ich meine Bestellung, den jüngeren Verkäufer höre ich unmerklich von der Seite fragen:

Wo kommst du her?

Ich höre es nicht, will es nicht gehört haben. Das hat er nicht wirklich gefragt, oder? Das hat er bitte nicht wirklich gerade gefragt? Ich ignoriere diese Worte und stolpere, mental benommen vor lauter Fremdscham und nicht wahrhaben wollen, zurück zum ersteren Verkäufer, der mir mein Brot überreicht. Der Handel ist vollstreckt, das Brot in meinem Besitz.

Der jüngere Mann fragt erneut, jetzt direkt:

Wo kommst du her?

Aus Dresden.

Ja, aber woher kommst du wirklich?

Ist das denn so wichtig?

Nein, also, wenn du das nicht sagen willst, musst du das auch nicht, ich frage nur, weil ich selbst halbtschechisch bin.

The vendor from the first time and the one who just took my order the last time. I walk around the market, not really taking an interest in the breadstand yet, they already smile and wave at me from a far and the vendor from the first time shouts:

From Thailand, right? I remember!

This day I am in a good mood and feel like an encounter with them. Even though I’m out of words I buy my bread. The men are nice and seem to be in a good mood aswell. The script would state all was well, but I still feel a throbbing in my stomach that there’s still a lot of potential for the better in this society to become more aware and sensible. But in a reality in which I enjoy the privilege of having a roof over my head, not being tracked, not having to take refuge and be read as male, I feel quite lucky, white people openly take pleasure in me looking the way I do.

Der Verkäufer von den ersten zwei Besuchen und der ältere Verkäufer vom letzten Mal, gleicher Markt, gleicher Stand. Ich laufe über den Platz, habe mein neues Lieblingsbrot noch gar nicht im Bewusstsein, da lächeln und winken mir beide Männer aus der Ferne zu, der Verkäufer aus der ersten Begegnung ruft mir entgegen:

Aus Thailand, richtig? Ich erinnere mich!

An dem Tag habe ich gute Laune und ich habe Lust auf diese Begegnung. Zwar fehlen mir die Worte, aber ich kaufe mein Brot. Die Männer sind nett, haben ebenfalls gute Laune. In der Regieanweisung würde stehen all was well und wohl oder übel habe ich das leise pochende Gefühl, dass unsere Gesellschaft noch sehr viel Potential nach oben hat feinfühliger und achtsamer zu werden. Doch in einer Realität, in der ich das Privileg besitze ein Dach über dem Kopf zu haben, nicht verfolgt zu werden, nicht fliehen zu müssen und als Mann gelesen zu werden, schätze ich mich recht glücklich, wenn weiße Menschen sich offenkundig daran erfreuen, dass ich aussehe wie ich aussehe.

About the
project

Rassismus – ein Problem, das sich für viele von uns sehr weit weg anfühlt und bei dem es scheinbar keine großen Berührungspunkte gibt. Zumindest laut der gefühlten, öffentlichen Meinung, welche aber spätestens seit der Black Lives Matter Bewegung immer stärker ins Wanken gerät. Und sind wir mal ehrlich: Rassismus ist ein Problem, das nicht nur Randbereiche unserer Gesellschaft betrifft, sondern in allen Lebensbereichen Thema ist. Sei es der unbeabsichtigte Alltagsrassismus, dem wohl jeder immer wieder und allzu schnell verfällt oder der offensichtlich feindselige Rassismus, der sich dank gewisser Medien und Parteien leider immer stärker etabliert . Ein Problem inmitten unserer Gesellschaft, genau vor unserer Haustür. Doch wie stellt man sich diesem Dämon?

Wir denken, dass vor allem der öffentliche, kontinuierliche Austausch und das Sichtbarmachen von Rassismus helfen kann, um unser eigenes Handeln in Frage zu stellen und somit kleine Schritte voran zu gehen, damit wir uns schlussendlich gemeinsam ein gutes Stück in die richtige Richtung bewegen. Dafür möchten wir betroffenen Menschen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, eine Plattformen bieten. Eine Plattform für echte Geschichten von realen Menschen an den mitunter banalsten Orten, die wir alle kennen. Orte, die zu unserem Alltag gehören, doch für manche Menschen auf einmal zu roten Zonen werden, zu Gefühlen, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten.

Racism – a problem that feels far away and not very tangible for many of us. There are seemingly not a whole lot of contact points, at least according to the perceived public opinion, though this consensus has been increasingly faltering, especially since the Black Lives Matter movement. And let’s be honest: racism is a problem that does not only affect marginal areas of our society but all aspects of life. Be it the unintentional everyday racism, which most of us repeatedly fall victim to rather quickly, or the obvious hostile racism that is, unfortunately, becoming increasingly established thanks to certain media and political parties. A problem in the middle of our society, right at our doorstep. But how do we face this demon?

We think that a continuous public exchange and making racism visible can help us question our own actions and thus to take small steps forward, so that we can finally move in the right direction together. For this purpose, we would like to utilize the means at our disposal and offer a platform for affected people. A platform for real stories by real people in the sometimes most mundane places we all know. Places that belong to our day-to-day lives but have suddenly become red zones for some people, harboring feelings that accompany them throughout their lives.